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Digital und dezentral: Corona verändert das Arbeiten in der öffentlichen Verwaltung

Peter Batt

Peter Batt leitet die Abteilung DG - Digitale Gesellschaft, Verwaltungsdigitalisierung und Informationstechnik im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und beschreibt in seinem Gastbeitrag, wie Corona das Arbeiten in der öffentlichen Verwaltung nachhaltig verändert.

Die Bewältigung der Corona-Pandemie verlangt uns allen viel ab – zwischenmenschliche Kontakte werden auf lange Sicht eingeschränkt bleiben. Viele Behörden haben sich auf die neue Situation eingestellt: Sie reduzieren den Kundenverkehr, Ämter bleiben geschlossen. Im Gegenzug werden Arbeitszeiten flexibilisiert, wichtige Leistungen priorisiert, etliche Mitarbeiter arbeiten im Home Office; völlig neue Abläufe etablieren sich. Was hier und da noch den Anschein des Provisorischen hat, muss nun rasch in geordnete Bahnen überführt werden. Dabei ist es wichtig, die in der Praxis gewonnen Erfahrungen zu berücksichtigen und die Bedarfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders in den Blick zu nehmen. 

Gut aufgestellt für die digitale Transformation

Auch eGovernment-Projekte stehen unter Druck: Das Onlinezugangsgesetz (OZG) bildet einen Meilenstein bei der Digitalisierung unserer Verwaltung. Denn zum ersten Mal einigten sich Bund und Länder auf ein konzertiertes Vorgehen und einen verbindlichen Fahrplan bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen. Das gemeinsame Ziel: Alle Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung auch digital zur Verfügung zu stellen.

Zur Umsetzung fanden in den vergangenen Jahren unter anderem 30 Digitalisierungslabore statt, bei denen interdisziplinäre Teams mit Verwaltungsmitarbeitern, Nutzern und weiteren Experten gemeinsam digitale Lösungen entwickelten. Das Besondere: In den Laboren werden nicht nur die Eingabemasken der Anwendungen nutzerfreundlich gestaltet, sondern auch die dahinterliegenden Verwaltungsabläufe optimiert. Das Ziel sind vollständig papierlose Vorgänge – eine Voraussetzung, um Anträge dezentral digital bearbeiten und damit neue Arbeitsformen flächendeckend einführen zu können.

Parallel zur OZG-Umsetzung haben sich auf Bundesebene zahlreiche Initiativen gebildet, welche die digitale Transformation befördern wollen. Im BMI arbeitet die PG DIT am Aufbau eines „Digital Innovation Teams“, das innovative Arbeitsweisen strukturiert in der Bundesverwaltung etablieren soll. Im „Netzwerk: Experten digitale Transformation der Verwaltung“ (NExT) engagieren sich Mitglieder aus über 30 Behörden. In virtuellen Werkstätten erarbeiten sie konkrete Lösungen für die Verwaltung, etwa zu digitalen Fähigkeiten, neuen Technologien und innovativen Arbeitsweisen. 

Auf Initiative des Kanzleramts starteten 2018 die Tech4Germany-Fellowship-Programme. Diese bringen jährlich Tech- und Nachwuchs-Talente der Republik mit den Vertretern der Bundesministerien zusammen. Letztlich haben sieben Tech-Netzwerke den Hackathon #WirVsVirus initiiert – der bis dahin weltgrößte seiner Art.  Weitere Innovationsprojekte finden sich in vielen Ministerien. Das Pilotprojekt Cyber Innovation Hub des BMVg soll durch gezielte Marktbeobachtung neue Ideen und existierende Lösungen identifizieren und validieren, um diese der Bundeswehr kurzfristig verfügbar zu machen. Das BMWi erprobt Reallabore als Testräume für Innovation und Regulierung. Sie sollen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung ermöglichen, neue digitale Technologien und Geschäftsmodelle im realen Umfeld zu testen und zugleich bestehende Regulierung auf den Prüfstand zu stellen. 

Übergeordnetes Ziel dieser Initiativen: Praktische Erfahrungen mit agilen Arbeitsformen sammeln, Prozesse evaluieren und Erfolge in die tägliche Arbeit der Verwaltung überführen.

Innovation zeigt sich nicht nur in konkreten Projekten. Ein entscheidender Schlüssel zu gesteigerter Innovationskraft sind divers zusammengesetzte Teams. In meiner Abteilung setze ich bewusst auf eine interdisziplinäre Arbeitsweise. Tagtäglich erlebe ich den Mehrwert, wenn Juristinnen gemeinsam mit Informatikern, Verwaltungswissenschaftler mit Pädagoginnen, Physikerinnen oder auch Psychologen an Lösungen für die digitale Verwaltung arbeiten. Das hilft uns, Silodenken zu überwinden. Die frische und pragmatische Herangehensweise strahlt ins gesamte Haus aus.

Auch die Arbeitsumgebung kann Innovationen fördern.  Ausstattung und Atmosphäre am Arbeitsplatz beeinflussen  die Motivation und Kreativität der Mitarbeitenden. Ich erhoffe mir von dem avisierten Umzug meiner Abteilung in unser neues Dienstgebäude Englische Straße positive Effekte. Neue Zusammenarbeitsformate, offene, helle Räume bieten Platz für menschliche Interaktionen, Projektarbeit in kleinen Gruppen und das Experimentieren mit neuen Arbeitsmethoden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abholen!

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sammeln derzeit neue Erfahrungen mit flexiblen Arbeitsformen. Sie treffen sich per Videokonferenz, verbinden sich von zuhause mit dem VPN-Client oder arbeiten zu unregelmäßigen Arbeitszeiten. Was für den einen eine lang ersehnte Erleichterung ist, kann für den anderen schnell zur Mehrbelastung werden, gerade wenn sie unverhofft eintritt. Das gilt besonders für die Arbeit im Home Office: Mitunter fällt es schwer, sich abzugrenzen und Arbeit von Privatem so zu trennen, dass alles passt.

Die Einführung neuer Arbeitsformen muss daher mit klaren Regeln und entsprechender Qualifizierung einhergehen. Beschäftige brauchen noch mehr und individuelle Fortbildungsangebote zu wesentlichen Zukunftsthemen wie IT-Sicherheit, Datenethik und agilem Arbeiten. Hierzu bietet – unter anderen - die Bundesakademie für Öffentliche Verwaltung eine Reihe von Weiterbildungen an.

Die Personalgewinnung muss sich dabei mit den veränderten Bedarfen einer zunehmend digitalen Verwaltung und den Vorstellungen nachrückender Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auseinandersetzen. Im Netzwerk „Personal in der digitalen Verwaltung“ (PersDiV) tauschen sich Personalverantwortliche der obersten Bundesbehörden zu genau diesen Themen aus. Eine gleichnamige interministerielle Arbeitsgruppe bewertet Maßnahmen, steuert die Umsetzung und berichtet dem Digitalkabinett.

Nur, wenn wir die Akzeptanz der Beschäftigten in der Verwaltung gewinnen, wenn sich die Mitarbeitenden im Umgang mit den digitalen Kommunikationswegen sicher fühlen, werden wir die flexiblen Modelle auch nach der Corona-Krise sinnvoll fortentwickeln können. 

Die Verwaltung im digitalen Zeitalter muss technologieoffen sein

Die Krise macht uns deutlich: Viel mehr als bisher muss Verwaltung die technologische, zum Teil disruptive Entwicklung antizipieren und ihre Infrastruktur darauf ausrichten. So hätte eine flächendeckende Ausstattung mit Videokonferenztechnik oder elektronischer Antrags- und Rechnungsbearbeitung in der aktuellen Situation vieles erleichtert.  

Zugleich zeigt uns die Krise aber – wieder einmal -, wie schnell und unbürokratisch wir alle miteinander reagieren können, wenn die Situation es erfordert. Bei allem, woran wir bauen müssen: Das ist es, worauf wir bauen müssen – und können.  


Weitere Informationen rund um die OZG-Umsetzung und die digitale Verwaltung erhalten Sie unter www.onlinezugangsgesetz.de.

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