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Corona-Pandemie: Interkommunale Zusammenarbeit kann langfristig helfen

Michael Pfefferle

In der Prioritätenliste der Rathäuser ist die Digitalisierung langsam vorgerückt, bis die Zeichen in fast allen Kommunen auf digital standen. Immer mehr deutsche Städte und Gemeinden entwickelten Strategien, etablierten Stabsstellen oder gründeten kommunale Agenturen, um die Digitalisierung aktiv zu gestalten. In Zeiten der Corona-Pandemie merken wir aber, dass wir sehr spät und zu langsam ins digitale Zeitalter gestartet sind. Das öffentliche Leben wurde in den vergangenen Wochen in kürzester Zeit heruntergefahren und so manche Kommune scheint in eine Schockstarre zu verfallen. Das Coronavirus legt offen, wo es bei der Digitalisierung in Deutschland zwickt und hakt – vor allem im ländlichen Raum, wo sich finanzielle und personelle Sorgen treffen.

Der Großteil der 11.000 Kommunen versucht sich daran, das digitale Rad neu zu erfinden, jede Stadt werkelt an eigenen Digitalisierungsstrategien und Smart-City-Konzepten – Abstimmung Fehlanzeige. Das föderale Klein-Klein ist bei Digitalprojekten zum Scheitern verurteilt. Eine Lösung liegt auf der Hand: Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ). Kommunen sollten insbesondere bei Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Klimaschutz und demographischer Wandel mit ihren Nachbarkommunen zusammenarbeiten. Das stärkt die Leistungsfähigkeit, macht sie fit für den Wettbewerb und spart Kosten und Personal. Zuletzt hat das Onlinezugangsgesetz die föderalen Kooperationen in Schwung gebracht. Jetzt in Krisenzeiten sollten wir alles daran setzen, die Zusammenarbeit der Kommunen weiter zu fördern und langfristig einen schnellen Austausch von Best Practices zu ermöglichen.

In diesen Zeiten werden wir Zeuge, wie unabdingbar die kommunale Daseinsvorsorge ist und welche Hauptrolle die Digitalisierung dabei spielt. Verwaltungen können sich mit Stadtwerken, Unternehmen aus der Region sowie bürgernahen Organisationen zusammentun und gemeinsam an digitalen Lösungen für reale Probleme arbeiten. Um die Zusammenarbeit zu fördern, müssen klare Anreizstrukturen geschaffen werden: Neue digitale Services, Kosteneinsparungen, kein Streit mehr um Fachkräfte. Ja, der Organisationsaufwand mag zunächst höher sein, hier und da fallen Kosten an – doch die Kommunen und ihre Bürger profitieren auf lange Sicht. Bei allen Kooperationen sollte daher der Nutzen für Kommunen, Wirtschaft und Bürger im Vordergrund stehen: Wissenstransfer, eine höhere Servicequalität und geteilte Lösungen in der Beschaffung, bei IT und Datenplattformen.

Bislang werden Synergieeffekte zu wenig genutzt und es fehlen Kollaborationsräume, um einen Austausch zwischen Bürgermeistern oder Verwaltungsleitungen zu ermöglichen. Die Politik ist gefordert, die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Verwaltungsebenen zu verbessern, etwa was den Austausch und die Kommunikation zwischen den Gesundheitsämtern der Kommunen und der Landkreise betrifft. Es kann nicht sein, dass Gesundheitsdaten aufgrund fehlender Schnittstellen händisch in Excel-Tabellen zusammengeführt werden. Damit geht nicht nur wertvolle Zeit verloren, es passieren auch Fehler. Dem Robert-Koch-Institut fehlten Corona-Infektionsdaten, weil die behördliche Meldekette von den Laboren über die Gesundheitsämter bis zum RKI unregelmäßig und lückenhaft war. In der Regel werden sie per Fax geschickt. Das kann nicht Status quo sein, wenn es um Daten geht, die Menschenleben retten können und für die Forschung unabdingbar sind.

Der Ruf in den Kommunen nach Technologieunterstützung wird lauter – doch die Überforderung mit der digitalen Transformation ist groß. Damit die IKZ gelingt, müssen die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um den Organisationsaufwand abzufedern, oder eigens Organisationen für die Kooperation gegründet werden. Die Angst vieler Bürgermeister, zum einen Kontrolle und zum anderen Kompetenzen zu verlieren, muss ernst genommen, aber kann zugleich entkräftet werden, denn die kommunale Selbstverwaltung wird nicht aufgegeben. Dennoch kann eine klare Führungsverantwortung auf Landkreisebene helfen, die getrennten Geister zu einen, Vernetzung zu schaffen und alle Kommunen rasch und einfach mitzunehmen. Neben dem politischen Willen braucht es auch auf Seiten der Digitalbranche einfache Lösungen und geringe Hürden, damit IT-Projekte rasch umgesetzt werden können.

Viele Kommunen und Bundesländer haben bereits gute Erfahrungen damit gemacht, wenn IT-Strukturen gemeinsam genutzt werden. Es ist nicht erforderlich, dass jede Kommune für sich eigene Server aufbaut und sich damit potenziell hohen Sicherheitsrisiken aussetzt. Unternehmen bieten etablierte Cloud-Anwendungen und Datenplattformen an, die den deutschen und europäischen Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen entsprechen, und unterhalten europaweit dezentrale Zentren zur Cybersicherheit. So können gemeinsame Plattformen die IKZ der Städte und Gemeinden ermöglichen – etwa bei der zeitnahen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Insbesondere in strukturschwachen Räumen ist Kollaboration zukünftig von großer Bedeutung. Kleine Kommunen können sich so gegenseitig durch Shared Services entlasten. In Ballungszentren sind Kommunen wiederum auf gegenseitige Informationen, etwa im Bereich Mobilität, angewiesen. Eine Voraussetzung dafür: gemeinsame Smart City/Region-Datenplattformen und IT-Strukturen. So können IT-Projekte schneller, effizienter und kostensparender umgesetzt werden. Nebenbei kann aber auch dem Fachkräftemangel auf diesem Weg die Stirn geboten werden. Kommunen stehen bei der Anwerbung von wichtigem Fachpersonal nicht mehr in Konkurrenz zueinander, wenn sie zusammenarbeiten.

Wir brauchen ein digitales Mindset. Aktionismus ist ein Teil davon: Liebe Bürgermeister, rufen Sie heute noch ihre Nachbarkommune an und teilen Sie, was Ihre Verwaltung braucht und was Sie bieten. Suchen Sie den Austausch! Noch applaudieren wir bei jedem Wettbewerb um Smart Cities und Smart Regions, aber das große Ganze dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Vielleicht ist es an der Zeit, statt einzelner gelungener Konzepte lieber gelungene Kooperationen auszuzeichnen. Nach der Krise werden wir kritisch evaluieren müssen, wo die föderale Zusammenarbeit bei der Digitalisierung ausgebaut werden muss. Zugegeben: Dieser Ausnahmezustand wird nicht ad hoc und allein durch Digitalisierung und Kooperationen gelöst werden. Aber ich bin überzeugt, dass die Krise für interkommunale Zusammenarbeit langfristig ein Katalysator sein wird. Die ersten Schritte zur intelligenten Vernetzung des öffentlichen Raums sind viele Kommunen alleine gegangen, die nächsten Schritte werden sie hoffentlich gemeinsam gehen.

Der Artikel von Michael Pfefferle, Smart City & Smart Region Experte im Bitkom, ist als Gastbeitrag in der April-Ausgabe des Behörden Spiegel erschienen.

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